Eigenrechte der Natur
Deklaration “ The Seed of Siena“
der Global Alliance for the Rights of Nature (GARN)
zu den Eigenrechten der Natur
Die folgenden Texte, die „Einleitung“ genauso wie die Deklaration „The Seed of Siena“ selbst sind auf der globalen Versammlung der Alliance for the Rights of Nature (GARN) im Oktober 2022 in Siena entstanden. Sie werden hier in voller Länge ins Deutsche übersetzt veröffentlicht, da sie besonders gut sowohl die inhaltlichen Forderungen als auch den Geist der „Rights of Nature“ Bewegung widerspiegeln. Die GARN ist ein globales stetig wachsendes Netzwerk von indigenen und nichtindigenen Aktivist*innen, die dazu aufrufen, das menschenzentrierten Rechtssystems zu durchbrechen und die Eigenrechte von Natur zu respektieren und zu stärken. Mehr Informationen finden sich hier.
Einleitung:
„Vor dem Hintergrund eskalierenden Gewalt gegen den Planeten und die Menschen durch Kriege und Konflikte, die tiefes Leid verursachen, und angesichts des Vorantreibens des Abbaus von fossilen Brennstoffen, Mineralien und Metallen und leeren Versprechungen bei internationalen Verhandlungen über Klima und Biodiversität ist unsere Erklärung vom Global Gathering der GARN ein Aufruf, jetzt zu handeln.
Wir freuen uns, dass Panama in diesem Jahr Ländern wie Bolivien, Neuseeland, Bangladesch, Ecuador, Brasilien, Kolumbien und Mexiko gefolgt ist, die Gerichtsurteile ausgesprochen haben, Gesetze erlassen oder Verfassungen geändert haben, in denen die Rechte der Natur anerkannt werden. Wir gratulieren dem Volk von Chile für ihre Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die die Natur anerkennt, und wir ermutigen sie in ihren Bemühungen, Regierungsmodelle zu verabschieden, die Tiere, Pflanzen, Ökosysteme und Menschen gleichermaßen respektieren. Wir loben alle Bewegungen der Zivilgesellschaft, die uns daran erinnern, dass alles Leben und alle Ökosysteme auf unserem Planeten eng miteinander verwoben sind.
Wir freuen uns über die laufenden Initiativen zur Wiederherstellung und Anerkennung der Rechte von Flüssen, Seen und bestimmten Naturräumen – wie dem Muteshekau Shipu in Kanada und dem Mar Menor in Spanien – und wir begrüßen die Arbeit der indigenen Völker zur Wiederherstellung ihrer Rechte und Gewohnheitsrechte, wie die Ponca Nation von Oklahoma, die ein neues Statut für die Rechte der Flüsse Ní’skà und Ni’ží’dè und anderer Gewässer in ihrem Gebiet verabschiedet hat.
Die Deklaration Seed of Siena ist eine Erinnerung an das, was uns eint, und ein Aufruf zum Vertrauen in die Bewegung und die Beziehungen, die wir teilen.“ (übersetzt aus dem Englischen, link zum Original am Ende dieses Beitrages).
Die Erklärung Seed of Siena von der Global Alliance for the Rights of Nature – 15-17. Oktober 2022
„Wir werden alle vom gleichen Sonnenlicht und vom gleichen Mond genährt und teilen den gleichen Lebensatem aus den Wäldern, Gräsern, Ozeanen und dem Himmel. Alles, auch wir Menschen, ist in diesem herrlichen, komplexen, miteinander verbundenen Netz des Lebens voneinander abhängig. Und so wie ein Vogel singt, weil er ein bestimmtes Lied kennt, und ein Fluss fließt, um das Meer zu erreichen, ist es unsere innere Natur, unser gemeinsames Zuhause zu ehren.
Tragischerweise haben viele Menschen die Erinnerung an ihre Verbundenheit mit den Vögeln, Fischen, Insekten, Flüssen, Bäumen und Bergen verloren und damit auch das Gefühl für ihren Platz und ihre Zugehörigkeit zur Natur, zu diesem zusammenhängenden Netz des Lebens, für das lokale und indigene Gemeinschaften eine Vielzahl von anschaulichen Begriffen verwenden.
Wir wissen, dass die heutigen ökologischen, sozialen und spirituellen Krisen, die in der Geschichte der Menschheit beispiellos sind, durch eine vorherrschende Weltanschauung hervorgerufen wurden, die die lebendige Erde als eine „Ressource“ betrachtet, die es zu extrahieren, zu vermarkten, zu privatisieren und auszubeuten gilt. Wir wissen, dass die Umweltzerstörung um sich greift und von zunehmenden Verletzungen der Menschenrechte von Völkern und Gemeinschaften sowie der kollektiven Rechte indigener Völker begleitet wird. Wir wissen, dass die Zeit zum Handeln jetzt gekommen ist.
Die derzeitigen Gesetze und Politik können den Verlust der biologischen Vielfalt oder die Vergiftung von Böden, Land, Gewässern und Luft nicht aufhalten, weil sie auf der Fiktion beruhen, dass die natürliche Welt Eigentum oder „Ressourcen“ für menschliche Wünsche sind. Die Privatisierung, Kommerzialisierung und legalisierte Versklavung der Natur als menschliches und unternehmerisches Eigentum, die Phantomwirtschaft, die auf Spekulation statt auf tatsächlicher Produktion beruht, und die Monetarisierung der Natur beschleunigen die Zerstörung von Ökosystemen und Leben weiter. Wir können es uns nicht leisten, Zeit, Geldmittel oder unsere kreative Energie für fehlgeleitete kurzfristige Maßnahmen zu verschwenden, die ein Problem schnell lösen sollen, die aber stattdessen in ihrem Bemühen, den Klimawandel zu verlangsamen, noch mehr Probleme und ökologische Zerstörung verursachen. Wir wissen, dass die Zeit zum Handeln jetzt gekommen ist.
Wir können und müssen uns einem tiefgreifenden Wandel widmen – von der Krise zur Verwandtschaft, vom Eigentum zur Zugehörigkeit und zum Einssein mit der natürlichen Welt. Es ist ein grundlegender und bewusster Wandel von der Menschenzentrierung zur Erdzentrierung erforderlich, der unsere uralte Beziehung zu allen Formen des Lebens, zu Gestein und Mineralien, Pflanzen und Tieren, Bergen, Meeren, Donner, Regen und Schnee wiederherstellt.
Die Anerkennung der der Natur innewohnenden Rechte ist ein wesentlicher Schritt auf diesem Weg; die Anerkennung, dass alle Mitglieder dieser Erdgemeinschaft ihr eigenes, gemeinsames Recht haben, zu sein, zu gedeihen, sich zu entwickeln und wiederhergestellt zu werden, frei von zerstörerischen Praktiken des Menschen und mitsorgetragender Rücksicht auf zukünftige Generationen aller Arten.
Von dieser globalen Versammlung der Globalen Allianz für die Rechte der Natur (GARN) in der wunderschönen Kulturlandschaft von Siena, Italien, heißt es daher:
- Wir erkennen dankbar an, dass Mutter Erde die Quelle des Lebens, der Nahrung und des Lernens ist;
- Wir erinnern uns daran, dass wir alle Teil einer lebendigen Erdgemeinschaft von miteinander verbundenen und voneinander abhängigen Wesen mit einem gemeinsamen Schicksal sind;
- Wir würdigen unsere biologische und kulturelle Vielfalt und alle Formen des harmonischen Zusammenlebens in der Natur;
- Wir würdigen die Weisheit der indigenen Völker, deren Gesetze sich aus ihrer innewohnenden Beziehung zu Mutter Erde ergeben, und wir erkennen die Notwendigkeit an, ihre Perspektiven innerhalb der Bewegung für die Rechte der Natur zu stärken;
- Wir verpflichten uns, die Rechte, die Souveränität und die Rechtsprechung indigener Völker sowie andere, nicht auf Rechten basierende Wege zu fördern, die im Gewohnheitsrecht und im traditionellen indigenen Wissen zu finden sind;
- Wir lehnen alle Formen der Plünderung, Ausbeutung, des Missbrauchs und der Verschmutzung ab und drängen auf echte Maßnahmen, um den Verlust der biologischen Vielfalt, den Klimawandel, die Bedrohung indigener Völker und der Verteidiger der Erde sowie andere dringende Bedrohungen unseres lebendigen Planeten aufzuhalten;
- Wir setzen uns mit aller Kraft für die Umgestaltung der menschlichen Regierungsführung – der zivilen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen und sozialen Systeme – ein, um die Erde in den Mittelpunkt zu stellen, und für die Annahme der Allgemeinen Erklärung der Rechte von Mutter Erde (2010).
Wir laden Sie ein, auf die Beziehungen zu vertrauen, die wir miteinander teilen, und sich an diesem für unser Zeitalter entscheidenden Unterfangen zu beteiligen.“
Hier findest Du den Originaltext in Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Französisch.